Die Gentherapie ist eine moderne medizinische Methode zur Behandlung von Krankheiten, die durch Vererbung oder zufällige Veränderungen (Mutationen) in der menschlichen DNA entstehen. Sie versucht daher, Erkrankungen eben dort zu behandeln oder zu heilen, wo deren Ursprung liegt – in den Genen.1
Um ein verändertes Gen zu ersetzen oder zu reparieren, werden sogenannte Gentherapeutika ( d.h. DNA oder RNA) in die menschliche Zelle eingebracht. Dabei können verschiedene Techniken zur Anwendung kommen:
Austausch eines Gens, das eine Krankheit verursacht, durch ein intaktes Gen
Abschalten eines Gens, das eine Krankheit verursacht und nicht richtig funktioniert
Einbringen einer funktionstüchtigen Genkopie in bestimmte Körperzellen, um eine bestimmte Krankheit zu behandeln
Gentherapien haben das Potenzial, den Krankheitsverlauf und die Lebensqualität von Millionen von betroffenen Menschen deutlich zu verbessern. Dabei werden nicht nur die Symptome einer Krankheit gelindert, sondern deren Ursache direkt therapiert.
Um Fehlfunktionen oder Mutationen in den menschlichen Genen zu behandeln, kommen, je nach therapeutischem Ziel, verschiedene Formen der Gentherapie in Frage:2
In der Genersatztherapie wird ein mutiertes Gen durch ein funktionsfähiges Gen ersetzt. Dies ist möglich, da inzwischen für viele Krankheiten die dafür verantwortlichen (defekten) DNA-Abschnitte identifiziert wurden. Sogenannte Genvektoren übernehmen die Aufgabe eines sicheren und zielgenauen Transportvehikels für das Gentherapeutikum. Häufig kommen für diesen Transport (Transfektion) künstlich hergestellte virale Vektoren (rekombinante Adeno-assoziierte virale Vektoren, rAAV) zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Viren, die ungefährlich sind und keine Krankheiten auslösen. AAV-Vektoren transportieren die therapeutischen DNA-Abschnitte genau zu jenen Zellen, in denen sie die Aufgabe eines defekten DNA-Abschnitts übernehmen sollen. Die Genersatztherapie wird als einmalige Infusion verabreicht.3
Bei einer von Patient:innen stammenden zellulären Gentherapie werden den Patient:innen Zellen entnommen, mittels viraler Vektoren genetisch modifiziert und wieder in den Körper eingeschleust. Ein Beispiel ist die CAR-T-Zell-Therapie, bei der weiße Blutkörperchen von Patient:innen so modifiziert werden, dass sie Krebszellen besser erkennen und angreifen können.
Eine weitere Form der Gentherapie ist das sogenannte Genom-Editing. Bei dieser Technologie (CRISPR-Cas9) wird das kranke Gen mikrochirurgisch, also äußerst präzise, behandelt. Dieses Verfahren kann genutzt werden, um Mutationen zu korrigieren, Gene auszuschalten oder um Gene wieder funktionsfähig zu machen.4
Genetische Krankheiten entstehen durch einen Fehler im Code der menschlichen DNA. Diese Fehler im Bauplan bestimmter Proteine können von den Eltern vererbt werden oder entstehen zeitlebens durch spontane/natürliche Mutationen. Aufgrund des fehlerhaften Codes können die Proteine ihre Funktion in der Zelle nicht mehr ordentlich erfüllen.
So verursachen Gendefekte häufig auch schwere, seltene Krankheiten wie Spinale Muskelatrophie oder Hämophilie. Überproportional häufig sind dabei Neugeborene und Kinder betroffen. Zur Früherkennung, die eine umgehende Behandlung ermöglichen, tragen Screening-Programme – etwa auch bei Neugeborenen – bei.
Seltene Erkrankungen sind eine Gruppe an komplexen, sehr unterschiedlichen und meist schweren Krankheiten. Sie verlaufen oft chronisch, beeinträchtigen Gesundheit und Lebensqualität und führen häufig bereits im Kindesalter zu Symptomen. Über 70 Prozent der seltenen Erkrankungen haben genetische Ursachen. Gegenwärtig sind die meisten davon nicht heilbar.
In Österreich sind etwa 500.000 Menschen von einer seltenen Krankheit betroffen. EU-weit leben rund 30 Millionen Menschen mit einer seltenen Krankheit.
1989 gelang es erstmals, ein therapeutisches Gen in eine menschliche blutbildende Zelle einzubringen. Ein Jahr später erfolgte die erste Gentherapie an einer Patientin mit einer schweren Immunkrankheit.
In der EU wurde 2012 das erste gentherapeutische Medikament zugelassen. Die aktuell zugelassenen Gentherapien zielen darauf ab, monogenetische Erkrankungen zu behandeln – also Krankheiten, die durch ein einzelnes defektes Gen hervorgerufen wurden. Gentherapeutika gehören zu den Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMP, Advanced Therapy Medicinal Products) und durchlaufen ein strenges Zulassungsverfahren bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA.5
Einen Durchbruch in der Gentherapie seltener genetischer Erkrankungen stellte die Genersatztherapie bei der Spinalen Muskelatrophie dar, die 2020 eine europäische Zulassung erhielt. Sowohl die Weiterentwicklung von Genersatztherapien als auch das Genom-Editing schaffen die Grundlage für eine neue Generation an Gentherapeutika.
Jedoch sind die Herstellung dieser komplexen Arzneimittel und deren Einsatz gegenwärtig mit einem sehr hohen Aufwand verbunden. Der Erfolg von Gentherapien wird daher auch in Zukunft davon abhängig sein, wie gut Ärzt:innen , Forschende, Ethik-Kommissionen, Behörden sowie Patient:innen zusammenarbeiten.
Die Gentherapie birgt ein enormes Potenzial zur Heilung vieler schwerer Krankheiten mit hohem medizinischen Bedarf. Sie nimmt bei Roche einen hohen Stellenwert ein. So forscht das Unternehmen an innovativen Gentherapie-Lösungen für Erkrankungen in den Bereichen der Neurologie, Ophthalmologie, Hämophilie und Onkologie.
2021 begann Roche in Deutschland mit der Planung und dem Bau des neuen Entwicklungszentrums für die Gentherapie. In der neuen Hightech-Einrichtung am Standort Penzberg bei München wird seit der feierlichen Eröffnung am 19. März 2024 die Entwicklung von Genvektoren für neuartige Gentherapien vorangetrieben. Die Forscher:innen von Roche entwickeln hier hochinnovative Wirkstoffe für Gentherapien, um diese für klinische Studien bereitzustellen.
Um neuartige Therapien durch wissenschaftlichen Fortschritt zu realisieren, investierte Roche allein im Jahr 2022 14 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung.
Referenzen
https://www.fda.gov/vaccines-blood-biologics/cellular-gene-therapy-products/what-gene-therapy (abgerufen am 21.6.2024)
Mendell JR, et al. Mol Ther. 2021 Feb 3;29(2):464-488
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/von-der-doppelhelix-bis-zur-gentherapie (abgerufen am 21.6.2024)
https://healthcare-in-europe.com/de/news/praezisions-gentherapie-neues-zeitalter-medizin.html (abgerufen am 21.6.2024)
https://www.pei.de/DE/newsroom/hp-meldungen/2020/200327-zolgensma-positive-stellungnahme-ema.html (abgerufen am 21.6.2024)